Die Schönheit der Technik
Detail einer Kaffeeröstmaschine
Mir fällt oft die unglaubliche, ganz eigene Ästhetik von Zweckbauten bzw. Industrieanlagen auf, seien sie nun alt oder neu. Dabei geht es nicht um ein besonderes Design, also bewußte Gestaltung der Gegenstände nach optischen Kriterien, sondern um die Schönheit der Funktionalität. Die finde ich bei älteren Dingen/Anlagen öfter als bei neuen, was vielleicht auch daran liegen mag, dass mensch geneigt ist, Dinge schöner zu finden, wenn sie als "alt" oder "retro" erkannt werden. Ich habe jedenfalls fotografisch solche Dinge als Motiv entdeckt und bin für sie schon über Zäune gestiegen (das Opfer hat sich gelohnt).
Als Kunsthistorikerin habe ich im Studium bereits die Behandlung von Zweckbauten vermißt: Kunst hat schön zu sein, ein reiner Selbstzweck. Und das, obwohl sich der parallel zum Jugendstil entwickelnde "Darmstädter Stil" (Hauptvertreter: Peter Behrens) Funktionsarchitektur der allerfeinsten Sorte hervorbrachte. Wer jedoch industrielle Zweckbauten aus den Anfängen unseres Jahrhunderts kennt, der weiß, wieviel Aufwand die Architekten betrieben, um ihre Bauten zu gestalten, auch wenn es "nur" Fabriken, Lagerhallen o.ä. waren. Sie sind ebenso ein Spiegel des Zeitgeschmacks wie Gemälde, Skulpturen oder Schlösser. Nur authentischer, da sie in der Hauptsache einem praktischen Zweck dienen. Die Ästhetik ist sozusagen ein Abfallprodukt der Zweckmäßigkeit und das macht ihren Reiz aus. Es gibt nichts Überladenes, Überflüssiges (wenn man von den Türmchen, Bundglasfenstern und schmiedeeisernen Verzierungen mancher Gründerzeit-Zweckbauten mal absieht): Form und Funktion gehen Hand in Hand. Diese Forderung nach der Schönheit des Zweckmäßigen wurde in den zwanziger Jahren von der Bauhaus-Bewegung als allgemeines ästhetisches Prinzip aufgegriffen, auf die Spitze getrieben und von einer durch die Überdekoration von Gründerzeit und Jugendstil gebeutelten Bevölkerung teilweise dankbar aufgenommen (die breite Masse blieb dem "Kitsch" verhaftet). International trat die Bauhaus-Bewegung ihren Siegeszug an (die Machtergreifung 1933 machte es möglich) und wurde in den USA zum International Style.
Heute sind jegliche Abweichungen vom architektonischen Minimum kaum bezahlbar (die Kehrseite waren früher karge Löhne und eine noch kargere soziale Absicherung, das wünschen wir uns nicht wirklich zurück), vielleicht macht der Kontrast zur modernen Industriearchitektur (die ihre eigenen ästhetischen Vorzüge hat) den Reiz der alten Anlagen aus, den es immer noch an vielen Ecken zu entdecken (und - für interessierte Fotografen: abzubilden) gilt.
Giebel in der Hamburger Speicherstadt
Kulturbrauerei Berlin, Giebel mit Glockenspiel und Uhr.
TheJinx - 17. Feb, 18:20
0 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks